ISO GPS - mehr als nur zusätzliche Zeichen auf einer Zeichnung
23. November 2021
Richtig eingesetzt ist ISO GPS deutlich mehr als nur eine Zeichnungseintragung. ISO GPS ist die Grundlage für einen direkten Datenaustausch mit der Fabrikation. Richtig geplant und umgesetzt stellt ISO GPS einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil für einen Betrieb dar. Im kommenden Jahr plant ROTRING DATA zu diesem Thema eine spezielle Info-Veranstaltung. Ebenso soll eine multilaterale Erfa-Gruppe zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch gegründet werden. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, um schon jetzt mehr darüber zu erfahren.
Ich höre immer wieder das Argument «Mehr Toleranzen auf der Zeichnung machen das Teil teurer». Das ist grundsätzlich nicht so. Denn wo steht geschrieben, dass man jede Toleranz auch nachmessen muss? Wir haben seit langem schon versteckte Toleranzen auf den Zeichnungen, welche auch nicht nachgemessen werden. Man begründet das damit, dass der Fertigungsprozess genau genug ist. Man toleriert das Werkstück einfach mittels Prozess und alle sind zufrieden.
Mit ISO GPS macht man nun diese Prozessgenauigkeit «sichtbar». Man ist aufgefordert Toleranzen, welche grob sein dürfen, auch explizit so auf der Zeichnung einzutragen. Das erscheint auf den ersten Blick zwar banal, aber es macht das Bauteil plötzlich fertigungsneutraler. Und hier sind wir bereits beim Unabhängigkeitsprinzip von ISO 8015. Ein fertigungsneutral spezifiziertes Bauteil ist ein wirtschaftlicher Vorteil. Ich kann so meine Eigenfertigung optimieren oder wenn nötig auch schnell, oder zumindest schneller, einen neuen Zulieferer auswählen. Ebenso hat eine eindeutige Spezifikation des Bauteils bei der Frage «Ausschuss oder nicht» einen sehr grossen Vorteil. Bei einer «traditionellen» Zeichnung mit den ganzen versteckten Toleranzen kommt es sehr schnell vor, dass der Konstrukteur etwas annimmt, oder meint es wäre doch so, und der Lieferant einfach viel gröber fertigt. Und das nur weil er die versteckten Toleranzen kennt und sie für seinen Vorteil nutzt. Das Resultat ist ein Verlust für den Besteller. Man darf nicht vergessen, dass eine Zeichnung, oder in Zukunft der entsprechende Datensatz, gemäss ISO 16792 (Klassifizierungskode 1 bis 5), bei einer Bestellung ein verbindliches Vertragsdokument ist. Ebenso darf man den Vorteil eines durchgängigen Datenflusses von der Konstruktion zur Fertigung bis hin zum Bestell- und Rechnungswesen nicht ausser Acht lassen. Ein sauber mit ISO GPS spezifiziertes Model und die daraus abgeleiteten Zeichnungen verringern die Fehlerquote nicht nur in der Fertigung, sondern auch schon in der Konstruktion. Ein solch sauberes Modell kann das Marketing auch leicht in einen Konfigurator aufnehmen und so schnell und kostensparend dem Kunden verschiedene Optionen aufzeigen.
Hier zeigt sich nun das wirkliche Potential von ISO GPS. Es ermöglicht die Grundlage eines wirklichen digitalen Zwillings im CAD. Wenn man die Einführung von ISO GPS als strategisches Element für den gesamten Betrieb betrachtet, so kann man sich für die Zukunft sehr gut aufstellen und auf verschiedene Herausforderungen leichter reagieren.
Vergessen wir nicht, die Stärke unserer KMU liegt in der steten Innovation.
Walter Zlauwinen, Konstrukteur/CAX-PLM Administrator
Mitglied der Autorengruppe Normenauszug SNV/Swissmem
Mitglied des Swissmem/NK 1 - Technical Product Specification (TPS); Swiss Mirror Committee to ISO/TC 10 (TPD) and ISO/TC 213 (ISO GPS)